Pressemitteilung – Schaffung und Sicherung von bezahlbarem Wohnraum ist zentrales Wahlkampfthema – Wahlprüfsteine des VSWG zur Bundestagswahl 2017

(lifepr) Dresden, 06.07.2017 – Die Deutschen stehen wieder vor der Entscheidung. Am 24. September 2017 findet die Wahl zum 19. Deutschen Bundestag statt. Das Thema Wohnen ist angesichts der großen Herausforderungen bei der Schaffung und Sicherung von bezahlbarem Wohnraum noch stärker in den Fokus gerückt, als dies bereits der Fall bei der letzten Bundestagswahl 2013 war. Um die anhaltend hohe Nachfrage nach Wohnraum zu decken, werden Schätzungen zufolge deutschlandweit jedes Jahr rund 400.000 neue Wohnungen benötigt.

„Die Neubauzahlen zeigen bei den sächsischen Wohnungsgenossenschaften aktuell zwar nach oben – die Baukosten aber leider auch. Das ist ein Grund, warum die Wohnungswirtschaft trotz aller Bemühungen den Bedarf an bezahlbaren Neubauwohnungen in den Ballungszentren nicht decken kann. Es führt kein Weg daran vorbei, die Voraussetzungen für den bezahlbaren Wohnungsneubau zu verbessern, denn Wohnraum muss für alle Schichten der Bevölkerung geschaffen werden. Die Grundlage dafür sind stabile Rahmenbedingungen, die auf Bundesebene geschaffen werden. Denn mehr als jede andere Branche sind wir auf langfristige, konstante und aufeinander abgestimmte Maßnahmen von Bund, Land und Kommune angewiesen“, appelliert Dr. Axel Viehweger, Vorstand des Verbandes Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V. (VSWG).

Aus diesem Grund veröffentlicht der VSWG bei seinem heutigen Verbandstag mit der geschlossenen Mitgliederversammlung in Radebeul seine Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2017:

Strategische Wohnraumförderung

Im Rahmen der Föderalismusreform I, mit der die Verantwortung  für die soziale Wohnraumförderung vom Bund auf die Länder übergegangen ist, wurde 2006  das Entflechtungsgesetz beschlossen. Dabei gewährte der Bund den Ländern Finanzmittel zum Zwecke der Wohnraumförderung. Die gesetzliche Grundlage dafür endet zum 31.12.2019. Derzeit ist noch unklar, wie die finanzielle Ausgestaltung ab 2020 erfolgen soll. Die Wohnraumförderung hat sich bewährt und muss in mindestens gleicher Höhe fortgesetzt werden. Es bleibt zu befürchten, dass die ab 2020 geltende Landesverantwortung zu deutlichen Reduktionen der Wohnraumförderung führen wird. Da Wohnen eine gesellschaftliche Aufgabe ist, fordern wir – ähnlich wie bei der Städtebauförderung – ein Bundesförderprogramm für den Bereich Wohnen auch nach dem Jahr 2020. Zur Planungs- und Investitionssicherheit sollte frühzeitig ein neues Konzept erarbeitet werden.

Städtebauförderung konsequent weiterführen

Ebenfalls 2019 endet die Städtebauförderung, wie sie seit 2006 erfolgreich umgesetzt wurde. Noch immer ist ein Konzept über die Weiterentwicklung nach 2019 nicht abschließend entwickelt. Wir fordern daher eine Weiterführung der Städtebauförderung mit analogen Themenschwerpunkten. Bundesweit sind Neubau bzw. Aufwertung und Abriss zwei Seiten derselben Medaille. Die positiven Erfahrungen aus dem Stadtumbau-Ost-Programm, insbesondere hinsichtlich der Rückbauförderung, müssen auch in das neue Programm integriert werden. Dabei gilt es, einen Verteilungsschlüssel zu finden, der die individuelle Ausgangslage der Bundesländer berücksichtigt.

(Neu)definition von „Sozialem Wohnungsbau“

Beinahe täglich wird auf den Begriff des „Sozialen Wohnungsbaus“ zurückgegriffen. In vorauseilendem Gehorsam wird dabei der Geltungskreis immer weiter eingeschränkt und sozial oftmals auf Empfänger von Leistungen nach SGB II oder XII beschränkt. Breite Bevölkerungs-teile, insbesondere Familien, Alleinerziehende oder ältere Menschen, werden dabei ausgeschlossen. Sozialer Wohnungsbau darf nicht auf Neubauförderungen in den wenigen Ballungszentren beschränkt werden. Hierbei möchten wir zu einer ehrlichen und offenen Neudefinition des Begriffs „Sozial“  anregen, an der sich die künftige Wohnungspolitik  orientieren kann. In diesem Zusammenhang wird oft die sogenannte „neue Gemeinnützigkeit“ ins Spiel gebracht. Der Ansatz hat zum Ziel, wohnungsnahe Aktivitäten (z. B. soziales Engagement oder Mieterstrom) zu unterbinden  und Unternehmen zum Verzehr ihres Eigenkapitals zu zwingen. Mit dem Begriff wird Populismus betrieben, weshalb wir dringend davor warnen, die neue Gemeinnützigkeit zur Grundlage der Wohnungspolitik in Deutschland zu machen.

Größer denken

Die Politik denkt in Stadtgrenzen. Dabei werden regionale Bezüge vollständig ausgeblendet. Während in den Ballungszentren unter hohem Fördermitteleinsatz bei stetig steigenden Neubaukosten neuer Wohnraum geschaffen wird, bauen wir weiterhin Wohnungen in großem Umfang im Umkreis von Großstädten zurück. Die Wohnungspolitik findet nicht im „luftleeren Raum“ statt. Stattdessen braucht es Strategien, die alle Bereiche des Lebens wie Arbeit, Freizeit und Kultur oder die medizinische Versorgung mit einschließen. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei dem öffentlichen Personennahverkehr. Ziel muss es sein, das Umland aktiv mit einzubeziehen und in Regionen zu denken.

Mieterstrom für bezahlbares Wohnen

Die Kosten des Wohnens werden nicht nur durch die Kaltmiete bestimmt, sondern auch von den Betriebskosten und immer mehr von den Kosten des Stroms beeinflusst. Dabei fällt auf, dass der Strompreis zu einem überwiegenden Teil politisch beeinflusst ist, z. B. von der EEG-Umlage. Um den Mieterinnen und Mietern bezahlbares Wohnen anzubieten, beschäftigt sich die Wohnungswirtschaft bereits seit langer Zeit intensiv mit Mieterstromkonzepten, um den Mietern neben bezahlbarem Wohnraum auch bezahlbare Nebenkosten im weiteren Sinne zu bieten. Mit dem Entwurf des Mieterstromgesetzes hat die Bundesregierung einen Schritt in die richtige Richtung getan. Gleichwohl wurde das eigentliche Problem, die steuerliche Behandlung von Mieterstrom in Wohnungsunternehmen nicht behandelt. Weiterhin beschränkt sich das Mieterstromgesetz  – entgegen des Grundsatzes der Technologieoffenheit – ausschließlich auf Photovoltaikanlagen und lässt somit z. B. Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die für viele Quartiere sinnvoll sind, außer Acht. Wir fordern daher eine konsistente Änderung der Rechts- und Steuerlage, um Mieterstrom flächendeckend als „Wohnkostenbremse“ zu ermöglichen.

Energiepolitik mit Weitblick

Seit Jahren treiben die Anforderungen der Energie-Einsparverordnung (EnEV) die Kosten für Neubau und energetische  Sanierung in die Höhe. Dabei wurde noch nicht verstanden, dass der Zusammenhang zwischen Dämmdicke am Gebäude und Energieeinsparung nicht linear verläuft. Die Bestände der organisierten Wohnungswirtschaft sind zu über 90 Prozent energetisch saniert. Erneute Anforderungen führen daher weitestgehend nicht zur politisch unterstellten Primärenergieeinsparung. Mit dem Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) hat man den Versuch unternommen, die Regelwerke zusammenzuführen. Auch wenn der erste Anlauf gescheitert ist, begrüßen wir den Ansatz, sich stärker auf CO2 zu fokussieren. Gleichzeitig fordern wir eine ehrliche Diskussion der Kosten der energetischen Anforderungen und eine ehrliche Lastverteilung zwischen den Sektoren. Darüber hinaus erwarten wir, dass stets eine Lebenszyklusbetrachtung der Gebäude und Baustoffe erfolgt. Die Situation der Eingruppierung von „staatlich verordnetem Dämmmaterial“ als „gefährlicher Abfall“ darf sich nicht wiederholen.

Ambulant vor Stationär

Die Zahl der Menschen über 65 Jahre wird von heute 21 % auf 31 % bis 2060 steigen. Parallel dazu steigt die Zahl der Pflegedürftigen rapide an. Der Wunsch der Menschen ist es, so lange wie möglich in der eigenen Häuslichkeit zu verbleiben. Ausgehend von der gesellschaftlichen Digitalisierung, der Problematik des ländlichen Raumes und der politischen Ambition „Ambulant vor Stationär – Wohnung als Gesundheitsstandort“ – ergibt sich der Anspruch, neue Wohnstandards im Rahmen einer „Mitalternden Wohnung“ zu etablieren, die nachhaltig ein selbstbestimmtes, sicheres und bezahlbares Wohnen ermöglichen. Um den Gesundheitsstandort Wohnung umzusetzen, bedarf es baulicher Anpassungen, den Einsatz technischer und sozialer Assistenzsysteme im Sinne eines „Sozialen Kümmerers“.

Mit dem Ausbau der Wohnung zum Gesundheitsstandort muss auch über eine Neugestaltung der Finanzierungsstruktur und eine faire Lastenverteilung zwischen Wohnungswirtschaft, Mieter, Politik und dem System „Sozialer Sicherung“ gesprochen werden. Bezugnehmend auf den Einsatz technischer Assistenzsysteme einschließlich eines entsprechenden elektrischen Grundstandards bedarf es folgender Anpassungen in der Bundesgesetzgebung:

Aufnahme der Wohnungswirtschaft in das Sozialgesetzbuch als Basis der Leistungsfinanzierung

durch Kranken- und Pflegekassen muss eine zeitgemäße Anpassung gesetzlicher Regelungen im Sozialgesetzbuch erfolgen, z. B. Ergänzung der „Wohnumfeldverbessernden Maßnahmen“ um das Thema AAL

Aufnahme ambulanter telemedizinischer Leistungen in das GKV-Versorgungsstruktur-gesetz SGB V

Erweiterung und Aktualisierung des Leistungs- und Produktkatalogs für Notrufzentralen (alle Anbieter) um intelligente, IT-gestützte Monitoringsysteme (Inaktivität, Sturz, Verlassen der Wohnung, Herdüberwachung, automatischer Notruf, Krisenerkennung, Raumklima)

Erweiterung des Leistungsangebotes der Notrufzentralen der Wohlfahrt über medizinische Notrufe hinaus ohne Zulassungseinschränkung

Dies erfordert nicht zwingend neue Mittel, sondern lediglich eine Umverteilung bestehender Finanzstrukturen. Hinsichtlich des Ansatzes des „Sozialen  Kümmerers“ müssen Teilfinanzierungsstrukturen seitens der Politik eruiert werden. Möglichkeiten bieten u. a. hier das Präventionsgesetz oder auch der Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge. Der „Soziale Kümmerer“ als eine niedrigschwellige Vertrauensperson, die allen Bewohnern eines Quartieres/Sozialraumes als Ansprechpartner zur Verfügung steht, stellt eine wichtige und notwendige Lösungsmöglichkeit dar, für die seit Jahren in der Praxis bestehenden Hürden wie Angst, Schamgefühl, Unsicherheit etc. der betroffenen Bewohner bei eintretenden physischen oder psychischen Defiziten. Mit diesem Ansatz werden rechtzeitig Hilfeketten durch gezielte Informationsvermittlung an entsprechende Dienstleister im Sozial- und Gesundheitsbereich initiiert sowie zusätzliches ehrenamtliches Engagement eingebunden, damit das Leben in der eigenen Häuslichkeit unterstützt werden kann.

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